Heute stelle ich Ihnen eines der kleinsten Fotoobjekte vor, die bisher in unserer Sammlung entdeckt wurden! Die Seitenlänge des Kartons, auf den die beiden Porträts montiert wurden, beträgt 20 x 14 cm, die der beiden kleinen sepiafarbigen Fotos aber nur knapp 2 x 1,5 cm. Oben rechts auf den Blatt ist die Signatur zu sehen, nach der das Blatt bis Ende der 1930er Jahre eingeordnet war. Darüber steht die Nummer der Fotobox, in der es sich seit den 1950er Jahren befindet und die zum Bestand „Malerei Niederlande, 14. bis 15. Jahrhundert“ gehört. Auf der Rückseite befinden sich drei Stempel: zunächst jener, der es als Teil der Schenkung „Stettiner-Weiss-Gottschewski“ kennzeichnet, und dann zwei unserer Seminarstempel, der ovale aus den 1920er Jahren, und der runde aus den 1950er Jahren.
Die Motive des Fotoobjekts, offenkundig ja zwei Porträts, sind lediglich mit dem Hinweis „Flémalle-Schule“ versehen, unten auf dem Karton. Google Reverse-Bildsuche lässt zunächst das Porträt der Dame identifizieren. Es handelt sich um ein heute meist Robert Campin, also dem „Meister von Flémalle“ zugeschriebenes Werk, entstanden um 1435. Während die Google-Bildsuche bei dem Porträt des Herrn keine (korrekten) Ergebnisse erzielte, bringt eine direkte Anfrage nach Robert Campin + Porträt eines Mannes das gewünschte Ergebnis: tatsächlich handelt ess ich auch diesmal um ein Werk Campins. Hier der Link zum Wikipediaeintrag, der beide Gemälde vorstellt. Die dortige Farbreproduktion macht gleichzeitig auch die diesmal aufgrund der geringen Größe der Fotografien besonders ins Gewicht fallenden Defizite deutlich: der prachtvolle rote Turban des Mannes ist auf unserem sepiafarbenen Mini-Fotoobjekt nur mit Mühe zu erahnen.
Noch immer nicht geklärt ist jedoch die Identität der beiden porträtierten Personen, ebenso wie der ursprüngliche Kontext der Gemälde. Die Gemälde wurden im 19. Jahrhundert wieder entdeckt. Im Jahr 1860 wurden beide Werke von der National Gallery in London (Link zu den Werken) erworben, wo sie nebeneinander hängen, so wie auf unserem Fotoobjekt. Die Hängung in London musste demjenigen, der die beiden Fotos auf die Pappe klebte, also bekannt sein. Entweder aus dem Kontekt, aus dem die Mini-Fotos genommen (geschnitten?) wurden, aus anderen Publikationen oder eigener Anschauung.