Dieses Fotoobjekt aus dem Fotoarchiv zeigt zwei Albuminabzüge übereinander, die auf eine gelbgraue Pappe aufgezogen wurden. Beide Fotografien messen rund 12,5 x 17 cm und verweisen bereits aufgrund des Äußeren auf ein hohes Alter der Aufnahme.Oben rechts auf der Fotopappe informiert die Signatur M. Pl/F über die Einordnung unter Mittelalterliche Plastik Frankreichs, daneben die Nummer 1090 über die später benutzte Fotobox.  Auf der Rückseite der Fotopappe ist der alte Seminarstempel „Kunsthistorisches Seminar der Hamburgischen Universität“ angebracht, und nochmals die Signatur.

Zu sehen ist beide Male das südliche Portal der Kirche Notre-Dame-du-Port in Clermont (heute: Clermont-Ferrand), eine Stadt die als Ort des „Konzils von Clermont“ mit dem Aufruf zum „Ersten Kreuzzug“ Geschichte machte. Zu dieser Zeit (1095) lag jedoch der Bau von Notre-Dame-du-Port und ihrem Portal noch einige Jahrzehnte in der Zukunft! Auf dem unteren Foto ist der komplette obere Teil des Portals (Tympanon und Türstürz) zu sehen, oben ein thronender Christus mit Engeln zu seiner Seite, und darunter Szenen aus dem Leben Jesu: der Besuch der Heiligen Drei Könige vor der auf dem Thron sitzenden Heiligen Jungfrau Maria ist links zu erkennen, rechts unter anderem die Taufe im Jordan. Die Szenen sind mit lateinischen Inschriften „untertitelt“ und somit trotz Beschädigung des ikonographischen Programms gut zu identifizieren. Auf dem obigen Bild noch einmal vergrößert der Ausschnitt des rechten Teiles des Portals.

Beide Fotografien stammen wohl aus dem selben Atelier: das obere trägt die Nummer 6257, die Gesamtaufnahme darunter die Nummer 6254. Beide haben ihre Lokalisation und das Motiv im Bildfeld selbst eingetragen „Clermont-Ferrand (Puy de Dome) [Eglise] N[otre] D[ame] du Port“ sowie in der Gesamtaufnahme noch detaillierter „Portail de la Facade méridionale. Tympan et linteau“. Neben der Ortsangabe findet sich auch die Herstellerangabe. „F.M.S.phot“.

Das Rätsel, um welches Atelier es sich handeln mag, wird zum Glück im unteren Foto selbst aufgelöst, denn hier wurde neben der eigentlichen Fotografie noch ein Rahmen mit belichtet. Auf diesem ist nun nicht nur rechts unten „F. Martin-Sabon phot.“ zu erkennen, sondern auch eine für Latein-unkundige hilfreiche Deutung der dargestellten Szenen: „Adoration des Mages“ links, „Presentation“ und „Bapteme du Christ“ rechts.

Felix Martin-Sabon lebte von 1846 bis 1933 und fotografierte in den Jahren um die Jahrhundertwende zahlreiche Baudenkmäler in Frankreich. Die beiden Fotografien von Notre-Dame-du-Port gelangten schon in den 1920er Jahren an das Kunstgeschichtliche Seminar. Es kam jedoch nicht allein, beziehungsweise blieb es nicht lang allein, denn schon bald hatte es einen „Dia-Zwilling“.

Schon das blaue Kreuzchen links neben dem unteren Foto auf der Pappe zeigt an, dass es hierzu ein Dia gab/eines angefertigt werden sollte. Zumeist erfolgten diese Anfertigungen nach Fotovorlagen aus der Fotothek in den 1950er und 1960er Jahren. Aber eine Suche in der entsprechenden Dia-Box („Plastik/MA-13.Jhd./ Frankreich/Orte Cl-r) förderte einen sehr alten „Zwilling“ zutage:

Dieses Großglasdia (Originalgröße 8,5 x 10 cm) wurde von der Hamburger Firma A. Krüss hergestellt, trägt die Inventarnummer 2484. Es wurde sogar von Erwin Panofsky, unserem berühmten ersten Lehrstuhlinhaber, eigenhändig mit seinem Bildtitel (links) beschriftet. Aus dem Jahr 1925 ist die erste Rechnung über bei Krüss bestellte Dias erhalten, unsere Nummer 2484 war möglicherweise dabei. Damals informierte der Verlag in einem persönlichen Anschreiben, dass der Preis für Lichtbilder nach Vorlagen (also Fotos und Büchern) nunmehr bei 1,50 RM läge.